Der abendliche Vespergottesdienst wird zum prächtigen Konzert

Mit ausgeglichenem Wohlklang konzertierte der Gabrielichor Bern mit dem cantus firmus vokalensemble und consort eine venezianische Marienvesper zur Geburt Louis XIV., dem späteren Sonnenkönig. Andreas Reize leitete diese festliche Musik aus dem Jahr 1638 souverän und mit herzlicher Ausstrahlung.

Giovanni Rovetta (1595 – 1668), Vizekapellmeister des Markusdoms, wurde anlässlich der Geburt des kleinen Ludwig beauftragt, diesem Ereignis entsprechend seine musikalische Ehre zu erweisen. Er liess sich kaum zweimal bitten und komponierte die fünf Vesperpsalmen und den Lobgesang Mariens (Magnificat), wie er es bei seinem Lehrer und Vorgesetzten Maestro Claudio Monteverdi gehört und gelernt hatte, allerdings mit klar erkennbaren eigenen Stilmomenten. In die Aufführung des lustvoll singenden Gabrielichores wurden zwischen den Psalmen Motetten von Schütz, Gabrieli und Rigatti mit Texten aus dem Hohelied musiziert. Alles in allem ergab dies eine sehr abgerundete und wohlgefällige Programmgestaltung.

Passende Musik für St. Urban

Noch selten hat die Architektur der wunderschönen Klosterkirche mit der Interpretation und der Akustik so erfreulich harmoniert wie beim vergangenen Konzert. Und beim eingeschobenen gregorianischen „Salve Regina“ schien es beinahe, als ob die Kirchenwände Ohren hätten und sich an die Zeit mit den Mönchen zurückerinnerten…

Toller Chor und junges Solistenensemble

Überzeugt hat nicht nur der engagierte Chor mit seiner klaren Diktion, seiner hohen Aufmerksamkeit und seinen gekonnten Einsätzen; beeindruckt hat auch das achtköpfige Solistenensemble mit teilweise doch noch recht jungen Sängerinnen und Sängern. „Im kaleidoskopischen Wechsel von Soli, Duetten, chorischen Tutti und Instrumentalritornellen“ (Linda Maria Koldau) entfalteten sich die Einzelstimmen teilweise ausnehmend schön in den Duetten. Dabei ist die Altstimme Barbara Ernis besonders angenehm aufgefallen im Duett mit der Sopranistin Mirjam Berli (beide wunderschön im „Quam pulchra es“) und duettierend mit dem Altus Victor Soares (am Anfang des Magnificats). Ebenso erfreulich sangen die beiden Tenöre Michael Feyfar und Michael Mogl, der anstelle von Jan-Martin Mächler zum Einsatz kam. Gefallen haben auch Gunta Smirnova und Raitis Grigalis, beide gebürtig aus Lettland, sowie der junge, in Luzern studierende Alexandre Beuchat.

Subtil und aufmerksam wurden die Singenden vom hervorragenden Orchester begleitet, was sich besonders in den Kleinbesetzungen zeigte; besonders gefielen Thomas Leininger (Orgel) und Ziv Braha (Theorbe). Bestens vorbereitet gelangen alle Übergänge, Einsätze und Tempowechsel mit Lockerheit und sichtlicher Freude. Andreas Reize dirigierte ohne grossen Gestus, dafür mit klaren Avisi, und überliess die klangschönen Schlussakkorde dem Nachhall der Kirche. Auf die weitere Zusammenarbeit und die Entwicklung dieses Dirigenten mit diesen Ensembles und den daraus entstehenden Programmen darf man gespannt sein.

Nächste Konzertempfehlung: 24. Juni, 17.00 Uhr, Klosterkirche St. Urban: Die Luzerner Knaben- und Mädchenkantorei Luzern und das Orchester des Collegium Musicum Luzern führen unter Leitung von Eberhard Rex die „Hohe Messe in H-Moll“ von Johann Sebastian Bach auf.

Ruth Mory-Wigger